Südhessen Morgen vom 15.02.2021
Von Uwe Rauschelbach
Mit der Einrichtung eines Projektbeirats erfüllt die Bahn eine Forderung von Teilen der Region, die von den Plänen einer ICE-Neubautrasse betroffen sind. Das Gremium soll im Frühjahr seine Arbeit aufnehmen. Die Vertreter der Kommunen und Kreise haben die Möglichkeit, Forderungen und Anregungen einzubringen, die über den aktuellen Planungsstand hinausreichen.
Wie berichtet, hat sich die Bahn auf eine Vorzugsvariante festgelegt: die Diagonale durch den Wald bei Neuschloß. Damit ist die Konsensvariante des Kreises Bergstraße, nämlich die weitgehende Bündelung der Schienentrasse mit der Autobahn bis zum Viernheimer Dreieck, endgültig vom Tisch. Für Landrat Christian Engelhardt gilt aber nach wie vor: Eine Alternative muss die mit der Konsenstrasse gesetzten Bedingungen erfüllen. Für die Städte Lorsch und Lampertheim bedeuten die Pläne der Bahn, dass die Hochgeschwindigkeitsstrecke auf ihrem Territorium in offener Tunnelbauweise geführt wird. Die Kommunen fordern hingegen einen bergmännischen Tunnel, der die Trasse komplett unter die Erde bringen und nachhaltige Schäden für Wald und Flur vermeiden würde.
Mit der Einberufung von Projektbeiräten erhalten Kreis und Kommunen sowie Bürgerinitiativen nun die Möglichkeit, diese Forderung einzubringen. Denn in diesen Gremien werden die Grundlagen erarbeitet und schließlich in Berichte gefasst, die voraussichtlich Ende dieses Jahres zur weiteren parlamentarischen Befassung in den Deutschen Bundestag geleitet werden. Dort muss über die regionalen Belange entschieden werden. Diese hätten vor allem finanzielle Erwägungen zur Folge, die mit dem Bau eines bergmännischen Tunnels verbunden wären.
Der Sprecher der Lampertheimer Bürgerinitiative „Lebensraum vor ICE-Trasse“ (Bila), Ulrich Guldner, rechnet sich gute Chancen aus, dass die Anliegen der Region im Projektbeirat und schließlich im Bundesparlament Gehör finden. Er geht davon aus, dass die Bahn ein Interesse daran hat, die weiteren Prozesse – etwa das anschließende komplexe Planfeststellungsverfahren – ohne äußere Störungen abwickeln zu können. Sollte sich die Region abermals auf einen Konsens verständigen können, der in der Ablehnung einer offenen Tunnelbauweise südlich von Lorsch und am Lampertheimer Stadtteil Neuschloß vorbei bestünde, dann sollte nach seiner Einschätzung eine politische Mehrheit zu gewinnen sein.
Optimistisch stimmen den Bila-Sprecher auch Verfahren in anderen Teilen dieses Landes, in denen die Bevölkerung weiterführende Forderungen habe durchsetzen können, etwa an der Strecke Hanau – Fulda – Würzburg oder im Bereich der Fehmarnbelt-Querung. In einer ersten Reaktion hat sich der Bergsträßer Landrat obendrein für die Einberufung eines weiteren Projektbeirats ausgesprochen, der einer Verbesserung des Lärmschutzes an den Bestandsstrecken dient.
Bila-Sprecher Guldner schließt sich dieser Forderung an. Er verweist auf Berechnungen, wonach der Güterverkehr auf den Bestandsstrecken wie der Riedbahn in den kommenden Jahren deutlich zunehmen wird. Gegenüber dem Schutzstandard an Neubaustrecken habe der Lärmschutz an den Bestandsstrecken Defizite. Diese gelte es abzubauen. Außerdem seien Konflikte zwischen Güter- und Nahverkehr vorprogrammiert, da der Güterverkehr nur nachts auf die Neubaustrecke ausweichen könne.